Interview mit Matthias Becker

Es gibt wohl keinen aktuellen OFC-Spieler, der das Publikum in den letzten Jahren mehr polarisierte als Matze Becker. Grund genug für uns sich mal mit ihm zu treffen, seine bisherige Karriere zu beleuchten und etwas mehr über ihn zu erfahren. So trafen dann Smartinho und LH 433 einen ziemlich selbstkritischen und geduldig wartenden Matze Becker im Offenbacher Haus zwei Tage vor dem Spiel in Fulda...

Wie fing Deine Karriere eigentlich an? Das ging doch ziemlich schnell nach den Anfängen in Zeilsheim und dann ab der C-Jugend bei der Eintracht...
Das war damals unter Klaus Toppmöller. Da habe ich noch bei den Amateuren mittrainiert, stand in Ausbildung und er hat dann irgendwann gesagt, er nimmt mich mit zum Spiel bei Dynamo Dresden. Da kam ich auch prompt zum Einsatz und habe auch gleich mein erstes Tor gemacht. Das war vielleicht alles nicht so gut, dass es gleich so gut gelaufen ist.

Naja, mit der Eintracht hast Du ja auch über Europacupspielen und dem Abstieg gleich alles im Schnelldurchlauf mitgemacht.
Ja, ich war jetzt zwar nie ein Spieler der irgendwie abgehoben ist, aber ich musste dann ins Fernsehen, alle Zeitungen haben angerufen. Naja, und jeder hat dann anscheinend gedacht "Noch ein Jahr und ein bisschen mehr Training" - ich war ja noch Amateurspieler - "und dann wird der Nationalspieler".
Und dann habe ich nach vier Wochen einen Muskelfaserriss gehabt, wahrscheinlich auch durch die hohe Belastung und naja...! Dann kam Jupp Heynckes und unter ihm habe ich nicht mehr so oft gespielt und dann kam der Charly Körbel. Da lief es wieder etwas besser, habe das Tor des Monats geschossen und dann haben sie den Vertrag wieder verlängert. Vorher wollten sie mich schon ausleihen. Wie das halt so ist: Du schießt zwei Tore und bist der Held und triffst drei Wochen nicht und bist wieder unten durch.

Wie war so das Training unter Jupp Heynckes, weil man ja anfangs immer sagte der könne ganz gut mit jungen Spielern?
Ich war 19 Jahre und mit Spielern in der Mannschaft wie Yeboah und Gaudino hast Du halt überhaupt nichts zu melden. Man hat halt mittrainiert, ein paar Mal den Ball bekommen und wieder abgespielt aber man konnte nicht groß den Mund aufmachen und hat den Ärger geschluckt.
Wenn ich Heynckes vom Training her beurteile, dann ist der schon ziemlich gut gewesen. Aber der hat halt auch gedacht der kommt zu Eintracht Frankfurt, hat super Spieler und alles läuft und letztlich hat ihm halt einiges nicht gepasst vom Verein her und daran ist er auch schließlich gescheitert.

Nach dem Abstieg bist Du geblieben, hattest Du keine anderen Angebote?
Doch, aber ich hatte noch ein Jahr Vertrag und bin halt geblieben. In der Winterpause standen wir auf einem Abstiegsplatz und dann kam Ehrmantraut und dann waren wir zwischenzeitlich sogar mal Sechster gewesen. Aber in der Winterpause hat eben der VfB Stuttgart angefragt und dann wurden wir uns auch relativ schnell einig. Im Nachhinein muss ich aber sagen, wenn ich gewusst hätte, dass das unter dem Ehrmantraut so gut lief - zumal wir uns auch gut verstanden haben, wäre ich wohl mit Sicherheit geblieben. Ich bin eigentlich kein Spieler, der mal ein Jahr da spielt und wieder wechselt obwohl es dann doch so gekommen ist.

Wie kam da der Kontakt zustande? Ein Gerster-Schützling bist Du ja nicht...
Das lief alles über meinen damaligen Berater Norbert Pflippen. Dann haben wir uns zusammengesetzt und wenn man als junger Spieler in der 2. Liga mit dem VfB Stuttgart verhandelt ist das natürlich auch eine große Herausforderung und sagt sich "Warum nicht?"

War das damals in Stuttgart nicht ein ziemlich zerstrittener Haufen?
Och, das möchte ich so nicht unbedingt sagen und ich möchte das Jahr auch echt nicht missen, da habe ich schon viele nette Leute kennen gelernt und es ist 'ne ganz schöne Gegend.
Ich hatte damals einen 3-Jahres-Vertrag unterschrieben, auch weil ich zu dem Zeitpunkt unbedingt weg wollte weil ich nicht gespielt habe. Aber dann wurde ein Akpoborie gekauft für 'zig Millionen und ein Fredi Bobic hat gespielt. Naja - ich habe ein paar Einsätze gehabt, aber es war halt für mich nicht befriedigend und ich wollte unbedingt spielen...

...und bist dann für ein Jahr zu Reinhold Fanz und Adi Dworschak nach Hannover...
...wo ich aber gleich verletzt war am Rücken und ein halbes Jahr überhaupt nicht gespielt habe.

In Hannover waren ja zu der Zeit auch Asamoah, Otto Addo oder Sebastian Kehl
Ja, das war 'ne gute Truppe. Aber ich kam halt erst zur Winterpause einigermaßen fit zur Mannschaft und dann musste Reinhold Fanz gehen. Das war halt auch nicht alles optimal und dann wurde Franz Gerber Trainer und das hat nicht ganz so gepasst. Aber eigentlich wollten sie mich behalten, doch meiner Frau hat's da oben nicht gefallen und wir hatten dort eine möblierte Wohnung, weil ich ja noch ständig zur Reha musste und dann keine Wohnung fand, meine Frau war schwanger zu der Zeit und die haben sich dann gestritten, wer mein Gehalt bezahlt vier Monate lang. Das war schon ziemlich heftig das halbe Jahr und dann hat sich das mit Kickers Offenbach ergeben mit der Möglichkeit wieder ins Rhein-Main gebiet zu kommen.

Mit dem OFC ging ja dann alles recht schnell, nachdem der Aufstieg unter Dach und Fach war, oder?
Naja, ich hatte da wieder Probleme mit meinem Berater Norbert Pflippen und das war auch nicht alles so optimal sag ich mal. Gut - aus Fehlern lernt man und ich möchte es auch dabei belassen. Jetzt regelt das ein guter Freund von mir und der hat dann auch etwas die Fäden hierher gezogen und den Klaus Gerster gut gekannt. Dann ging das auch relativ schnell, wobei ich auch gesagt habe, dass ich auch nicht abgeneigt gewesen wäre in der Regionalliga zu kommen, aber dann hat es ja zum Glück mit dem Aufstieg geklappt.

Obwohl es anfangs in der Regionalliga vielleicht erst mal besser für Dich gelaufen wäre, oder?
Ja, das ist halt immer das Problem, im Nachhinein zu sagen hätte, wenn und aber. Wenn ich so an den Anfang in Mainz oder die erste Halbzeit gegen Nürnberg denke ließ sich das ja gut an. Naja - unter dem Peter Neururer lief es ja klasse, aber wir haben halt am Anfang zu wenig Punkte geholt. Ist halt scheiße, wenn man dann zu einem neuen Verein kommt und steigt gleich ab. Ich hab dann auch gleich gesagt, ich will hier bleiben. Man kann ja nicht ständig weglaufen. Und eigentlich habe ich es auch nicht bereut. Okay (lächelt etwas gequält) - zwischenzeitlich gab es da mal 'ne Phase wo ich gedacht habe, das war vielleicht doch nicht die richtige Idee.

Hast Du mit den zum Teil doch recht heftigen Reaktionen gerechnet, die einen hier als Ex-Eintrachtler erwartet?
Ich habe schon damit gerechnet, aber ich muss auch zugeben, dass ich es unterschätzt habe. Ich hätte nicht gedacht, dass es so heftig ist. Dann muss man natürlich auch sagen, dass die kämpferische Spielart die hier gerade zu Hause verlangt wird nicht unbedingt meine Spielart ist. Von daher habe ich es hier natürlich gleich doppelt schwer gehabt. Das ich 12 Jahre bei der Eintracht gespielt habe und kein Kämpfertyp bin, war natürlich keine gute Mischung. Ich bin aber auch der Meinung, wenn man gleich von Anfang an mal die Diskussion mit dem Publikum und den Fans gesucht hätte oder auch mal die Rückendeckung von Vereinsseite entsprechend gewesen wäre... Aber jeder macht Fehler irgendwo und ich bin da auch nicht nachtragend.
Aber Du wirst lachen: Ich hab mich schon mal im Fernsehen beobachtet. Ich lauf auch wirklich etwas komisch. Ich lauf echt etwas hochnäsig herum, aber was soll ich denn machen? So lauf ich halt...

Was ja letztlich mit dem Super GAU endete, als man Dich und den Tom Stohn ins B-Team abkommandierte
Na ja - das ist halt das, was ich meine. Das war das einfachste uns zu sagen: "Ihr seid jetzt draußen". Da hat man halt zwei gefunden. Das war schon ziemlich traurig. Das hat mir schon ziemlich weh getan und da muss ich auch zugeben: Da bin ich weinend aus dem Büro gegangen, da war ich fix und fertig.
Da war ich schon froh, dass ich den Ramon Berndroth im B-Team hatte. Der hat mich auch gleich in Ruhe gelassen und ich war auch sehr froh, dass ich gleich spielen durfte. Was ich auch gern gemacht habe, ich bin halt Fußballer und spiele halt gerne Fußball. Natürlich, wenn man in Schalke spielt vor 60.000 Zuschauern und schießt ein Tor und 60.000 rufen Deinen Namen, dann ist das natürlich genial. Aber wenn 200 rufen ist das für mich auch okay.

Seitdem bringt man Dir ja auch etwas mehr Respekt und Fairness entgegen. Nach dem Motto: "Der hat sich ohne Murren für's B-Team den Arsch aufgerissen, wo sich andere krank melden würden"
Im Nachhinein war das vielleicht ganz gut. Vielleicht müsste ich sogar sagen "Danke Herr Gerster, dass sie mich rausgeschmissen haben". Ich muss aber auch sagen, dass ich es selbst im B-Team nicht einfach hatte. Auswärts ging's noch aber ich musste mir manchmal auch zu Hause Sachen anhören...! Wobei ich jetzt nicht weiß, von welchen Fans das jetzt kam und will das nicht verallgemeinern. Aber da kommen dann Leute und freuen sich scheinbar, dass ich 'nen Ball verstolpere oder mir einer mal den Ball abgrätscht. Das ist manchmal sogar härter gewesen als im Stadion, weil Du dort ja immer nur die breite Masse hörst. Aber da hörst Du halt einzelne Leute, die teilweise Beschimpfungen reingeworfen haben, die, naja...! Aber ich habe mich durchgesetzt, meine Tore geschossen und wir haben viele Punkte gemacht. Das freut einen natürlich und dann hat das auch nachgelassen und mir Spaß gemacht.

Siehst Du Dich eigentlich als klassischen Stürmer? Es gibt ja viele, die sagen Du wärst von Deiner Technik her im Mittelfeld besser aufgehoben.
Naja, der typische, bullige Mittelstürmer wie Jancker bin ich halt nicht. Ich bin schon eher der spielerische Stürmer. Ich mach das nicht so gern, aber wenn ich mich mit einem aus der Bundesliga vergleichen sollte, dann bin ich eher so einer wie der Neuville, obwohl der natürlich laufstärker ist als ich (lacht).
Mit Sicherheit, das habe ich ja im B-Team gezeigt: Ich kann Tore schießen. Nur meiner Meinung nach muss man halt auch sehen, wie man als Mannschaft nach vorne spielt. Und das sieht man auch in den ersten Spielen, wir haben zwei Tore gekriegt. Und das eine war ein Elfmeter und das andere ein individueller Fehler. Da muss man halt auch mal sagen, dass wir Stürmer sehr gut nach hinten arbeiten. Wir laufen sehr viel und verschieben das Spiel auch gut. Der Danny Winkler von Trier (Acht Tore in vier Spielen) hat was gutes gesagt, nämlich dass die Trierer dieses Jahr eher nach vorne spielen und das kommt ihm halt auch zu Gute. Unser Spiel nach vorne ist noch entwicklungsfähig und wenn wir das besser hinkriegen gibt es vielleicht auch wieder mehr Stürmertore.

Zumal Du ja auch seitdem Du hier bist gegen den Abstieg spielst.
Das war halt das allerschlimmste. Wenn Du immer da hinten spielst und sagst "Heute musst Du aber". Das ist natürlich eine große Belastung und das hast Du auch der Mannschaft angemerkt und man merkt das auch jetzt. Jeder ist so ein bißchen befreiter und man kann mal wieder etwas durchatmen. Letztes Jahr war es echt erdrückend. Naja - der eine verarbeitet das so und der andere so und ich habe mir da echt viel Gedanken gemacht.

Steht man da als Stürmer nicht besonders unter Druck?
Ja die Zeiten haben sich halt schon ziemlich geändert. Wenn man drei Mal ins Tor trifft... - z.B. Arie van Lent. Den wollen sie ja jetzt auch schon alle am liebsten in der Nationalmannschaft sehen. So sieht man wie schnell alles geht. Ich brauche da eben etwas mehr Zeit, gerade bei dem ganzen Auf und Ab. Da B-Team, und da nicht gespielt und dann wieder gespielt...! Wahrscheinlich wäre es besser gewesen, wenn ich mit 19 rausgekommen wäre und hätte Regionalliga gespielt, wäre vielleicht mal aufgestiegen und hätte 2. Liga gespielt und mit 25 vielleicht mal 1. Liga - der Weg wäre vielleicht gut für mich gewesen. Aber naja, jetzt bin ich 27 und bin trotzdem ganz zufrieden. Meine Familie ist glücklich hier, wir leben hier gut und es macht mir auch Spaß hier zu spielen.

Wie schätzt Du jetzt so die aktuelle Mannschaft ein? Momentan habt Ihr ja einen richtigen Lauf.
Wir brauchen uns sicherlich vor keinem zu verstecken, das ist richtig. Und ich glaube auch, dass die aktuelle Spielweise sehr produktiv ist und wir holen halt jetzt auch die Punkte. Gerade so Spiele wie jetzt gegen Elversberg haben wir letztes Jahr noch verloren. Es werden mit Sicherheit auch noch Spiele kommen, wo wir schlecht spielen oder auch verlieren. Es kommt natürlich auch darauf an, wie sich der ein oder andere entwickelt. So ein Platz zwischen 5 und 10 wäre natürlich schon ein Ziel - wenn wir das erreichen, das wäre schon sehr, sehr gut.

Wenn man das alles so hört, scheinst Du Dich ja mittlerweile schon sehr wohl zu fühlen beim OFC.
Mein Vertrag läuft noch bis zum Sommer und ich fühl mich hier wohl. Das stimmt. Wenn natürlich ein Angebot kommt und das wäre sehr lukrativ müsste man wirklich überlegen. Aber dann müsste auch was richtig gutes kommen. Und dann ist natürlich noch die Frage, ob und wie der Verein mit mir plant. Aber ich sehe schon meine Zukunft hier beim OFC. Für mich sind dann andere Dinge wichtiger. Meine Frau fühlt sich hier wohl, mein Kind haben wir hier jetzt für Januar im Kindergarten angemeldet und ich habe eigentlich auch nicht vor das jetzt für drei Monate anzumelden und dann wieder zu gehen. Heim zu kommen und eine zufriedene Familie zu haben ist für mich wichtig und mittlerweile habe ich auch so das Gefühl im Verein, das die Leute vielleicht so sagen "Okay, der Becker der kämpft nicht so, aber lass den mal in Ruhe..."
Aber sind wir mal realistisch. Wenn ich diese Saison 20 Tore schießen würde, wo es im Moment nicht so danach aussieht, würden wahrscheinlich ein paar Vereine anrufen und dann müsste man sich mal unterhalten, aber ich weiß schon, was ich am OFC habe. Ich bin froh, wenn ich weiß wo alles ist, und weiß hier ist mein Bäcker und hier ist mein Metzger...

Okay - Stichwort "Derbys":
Für die Fans ist das, naja wie soll ich das sagen, wahrscheinlich schon etwas wichtiger als für die Spieler. Natürlich wissen wir ganz genau, dass für die Fans ein Derbysieg, ob gegen Darmstadt, Mannheim oder Wehen etwas besonderer ist, aber die Spieler kennen sich ja alle. Das ist wie Schalke gegen Dortmund. Natürlich sind die Spieler heiß und wollen auch gewinnen, aber die kennen sich ja auch alle. Ich gehe dann nicht auf den Platz und haue dann alle um. Aber zuletzt lief es ja vor allem auswärts ziemlich gut. Aber man merkt es schon - das Stadion ist ein bisschen voller und ein bisschen lauter und das stachelt einen schon an, ganz klar. Das war auch damals Eintracht Amateure gegen Darmstadt. Da hat man dann die Polizei mit Hundestaffel gesehen - das überträgt sich schon, aber man muss halt versuchen cool zu bleiben und sein Spiel zu spielen.

An welches Spiel in Deiner Karriere denkst Du besonders gerne zurück?
Mein schönstes Erlebnis war mit Sicherheit wo ich in Neapel gespielt hab von Anfang an. Das war von der Stimmung und dem Drumherum schon ziemlich gut. Und in Turin, obwohl ich da nur 10 Minuten am Schluss gespielt habe. Aber mal so gegen einen Ravanelli oder Baggio zu spielen, da hat man dann schön zugeguckt (lacht).
Mein schönstes Spiel beim OFC? Hmm. Ich sach immer. Wenn man hier gewinnt, das ist jedes Mal wie wenn man deutscher Meister wird. Vor allem egal wie man gewonnen hat. Egal wie. Vor allem in der 2. Liga als das Stadion immer gut voll war. Da stehen alle und man läuft so durchs Stadion und wirfst das Trikot rein - damals durfte man das ja noch - naja. Also jeder Sieg hier ist das schönste Spiel, da kann ich gar keins herausheben. Okay - was natürlich nicht schlecht war, war das 4:3 gegen Fortuna Köln, vor allem weil wir nur 10 Mann waren - da hab sogar ich ein wenig gekämpft (lacht).

Heute dürft Ihr keine Trikots mehr in den Block schmeissen?
Nee - der Verein muss sparen. Das kann ich aber noch nachvollziehen, viel trauriger finde ich es eigentlich, dass es keine Autogrammkarten mehr gibt - ab und zu kriege ich ja auch noch mal einen Brief mit 'ner Anfrage (lacht)

(Dann folgte eine Diskussion über Grätschen und auf einmal bekam er leuchtende Augen)
Wart Ihr gegen Mannheim dabei? Das Spiel beim VfR im Schnee? Da hab' ich gegrätscht, direkt bei den Fans. Und dann sprangen die alle auf und haben geschrieen (lacht). Ich müsste halt doch öfter grätschen. Aber als Stürmer ist es halt immer etwas schwer zu grätschen, wie jetzt zum Beispiel in Schweinfurt, wo wir gewonnen haben und ich auf der linken Seite gespielt habe. Dann geht das schon eher. Aber ich arbeite dran (demonstrativ ans Mikro gerichtet)

Okay – dann reden wir mal von Deinem größten Tag in Deinem Leben, der Dich auf einen Level mit Günther Netzer brachte, dem 19.03.94!
Jetzt kommt's...

...5 Treffer an der Torwand des aktuellen Sportstudios!
Ja, das war auch so etwas. Wie schon gesagt. Da haben wir in Dresden gespielt und ich habe ein Tor gemacht, dann zu Hause gegen Stuttgart, da habe ich an die Latte getroffen und dann gleich ins aktuelle Sportstudio gefahren. Da haben wir dann etwas gebabbelt, 19 Jahre alt, "Ja ich sach ma" gesagt, Ball hingelegt, fünf Stück eingeschweißt, am nächsten Tag gleich groß in der BILD... Im Endeffekt war's nicht so gut für meine Entwicklung, sonst hätte ich die 5 Dinger nicht versenkt, aber ich habe mir ja überhaupt nix dabei gedacht.

Aber so ein Auftritt im Sportstudio ist ja schon was besonderes...
Naja, jeder der es gesehen hat, hat gemerkt, dass ich schon ein ganz braver Kerl bin. Da war ich schon ziemlich schüchtern. Damals war noch der Marc Kienle dabei und einer von Wattenscheid. Die haben das gleich aufgezogen von wegen "Die neue Generation" oder "Die jungen Wilden" und so ein Kram. Naja, wie ich schon sagte. Es wäre sicher besser gewesen, klein anzufangen und die Karriereleiter kontinuierlich nach oben zu gehen.

Hast Du ein Problem damit?
Ich habe jetzt nicht so das Gefühl, dass ich unbedingt erste Liga spielen muss oder so. Warum auch? Es wird halt nicht jeder Nationalspieler. Ich spiel jetzt halt hier, meine Familie ist gesund, ich bin gesund. Ich hab' da jetzt nicht so dass Problem mit. Vielleicht hatte ich da mal ein Problem mit. Also nicht, dass ich jetzt wüsste aber so im Unterbewusstsein. Gerade jetzt wo der Sobotzik auch da ist, wo man sich sagt "Mit dem hast Du mal zusammen bei den Amateuren gespielt". Aber ich schäme mich jetzt nicht, dass ich in der Regionalliga spiele. Um Gottes willen. Ich hab' auch kein Problem damit, dass zum Beispiel der Patrick Würll die Tore schießt und ich leg sie vielleicht vor. Ich spiele halt gerne Fußball und muss auch nicht jeden Tag in der Zeitung stehen. Ich bin zufriedener wenn man mich in Ruhe lässt und lässt mich meine Arbeit machen.

Sieht Dich der Trainer eigentlich auch als Torjäger oder hast Du eher die taktische Aufgabe, dem Patrick Würll den Rücken freizuhalten?
Er sieht mich schon als Torjäger. Auch weil er mich von den Eintracht-Amateuren kennt und auch jetzt vom B-Team. Aber wie gesagt, das hat auch damit zu tun, wie man nach vorne spielt. Wir spielen halt jetzt sehr diszipliniert und stehen in der Defensive gut und ich glaube auch, dass das vorne anfängt. Und wenn man das Gleichgewicht irgendwann mal wieder etwas mehr nach vorne verlegt... Naja, im letzten Heimspiel gegen Elversberg hätte es ja fast geklappt. Ich muss bald mal wieder eins machen. Im Moment tue ich mich etwas schwer damit. Da fehlt so der letzte Tick.

Themawechsel: Bist Du eigentlich viel im Internet unterwegs?
Ja, ich guck ab und zu mal rein. Aber das ist auch so etwas, wo man am Anfang viel unterwegs ist, aber so mittlerweile eher weniger. Der große Surfer bin ich nicht. Genau so benutze ich auch mein Handy. Ich wähle 'ne Nummer und rufe an. Nix mit SMS oder Bildern oder was weiß ich. Die anderen lachen mich schon aus, wenn ich mit dem Teil hier ankomme..

Demnach bist Du wohl eher der Natur verbunden, als sich mit dem modernsten Medien und Kommunikationstechniken auseinander setzen zu müssen. Zum Beispiel Dein Hobby Angeln...
Ja schon. Hier angel ich aber weniger. Hier brauchst Du Deine Angelkarte für jedes Gewässer oder 'ne Jahreskarte, die ein Schweinegeld kostet. Oder Du holst Dir eine Tageskarte, aber da musst Du morgens um 08.00 Uhr ins Geschäft und am Wochenende ist keiner da und da müsste ich schon wieder planen und das ist bei dem Job den ich im Moment habe schlecht, wo mal ein Tag frei ist, und dann doch wieder Training. Und wenn Du einmal in Norwegen geangelt hast und mit einem Bootchen schön rausfahren kannst und holst so zwei Rotaugen in der Größe raus (er breitet seine Arme aus) - da sind das ja hierzulande alles Pfützen wo Du angelst.
Das wäre vielleicht etwas, was ich mal machen würde: In Norwegen Fußball spielen, wenn ich meine Frau davon überzeugen kann (lacht).

Wie soll es denn nach Deiner Karriere weitergehen?
Ich orientiere mich so langsam, was ich nach meiner Karriere mache. Autoverkäufer zum, Beispiel – nicht lachen. Also nicht so in einem Autohaus sitzen und warten bis ein Käufer kommt, sondern dass ich unterwegs bin. Da gibt es ja verschiedene Möglichkeiten und so was würde mir schon Spaß machen, weil Du ja quasi selbständig bist. Naja - im Winter gucke ich mir das mal an.
Früher wäre ich gerne Installateur geworden und hab' auch schon ein Praktikum gemacht, aber wie das halt so ist: Da hat die Mutter gesagt "Geh doch ins Büro, Bub" und da hab ich halt bei der Hoechst AG Bürokaufmann gelernt. Das war aber nicht so das richtige für mich...

Also Du siehst Dich schon irgendwo als Verkäufer?
Ja - so dumm' Zeugs babbeln kann ich ganz gut, glaube ich...

Letzte Frage: Hast Du mal eine rote Karte bekommen?
Ich??? Nee. Ich habe auch eine ziemlich hohe Reizschwelle. Das ist einerseits ganz gut, aber naja. Manchmal ist es vielleicht besser, wenn sie niedriger wäre, dass Du mal einen wegfegst, verstehst Du? Ich habe schon zu meinen Eltern gesagt: Ihr seid schuld, dass ich es vielleicht nicht so ganz geschafft hab. Ihr habt mich zu brav erzogen. Ich bin ein zu guter Kerl, ich bin zu lieb. Wenn ich vielleicht die letzte Drecksau wäre, wer weiß... (lacht)