Zeitungsartikel aus dem Extrablatt der OP nach dem Sieg in Osnabrück

Grenzenloser Jubel um Kickers nach Aufstieg in die 2.Bundesliga (20 Juni 1999)
Von Jochen Koch

Osnabrück - 16.53 Uhr am Samstag im Stadion an der Bremer Brücke in Osnabrück: die Erlösung. Endlich, endlich ist sie vorbei, die lange Zeit in der dritt- und Viertklassigkeit. Bye-bye Regionalliga. Die Offenbacher Kickers sind nach zehn mageren Jahren wieder in der 2. Bundesliga. Der 2:1 (0:1) Sieg im letzten Spiel der Aufstiegsrunde beim VFL Osnabrück öffnete dem OFC das Tor zur großen Fussball-Welt. Borussia Mönchengladbach, 1FC Nürnberg, VFL Bochum, 1 FC Köln und Karlsruher SC heißen in der kommenden Saison die Gegner. Die Kickers spielen wieder im Konzert der Großen mit.

Von dem Spiel in Osnabrück wird man in Offenbach noch in vielen Jahren erzählen. Aus diesem Stoff werden Fussball-Legenden gestrickt. Die Kickers, denen ein Unentschieden gereicht hätte, waren zur Halbzeitpause bei einem 0:1 Rückstand weiterhin Regionalligist. Dann der Ausgleich durch Dirk Vollmar - die Kickers waren in der 2. Liga. Danach das große Zittern und schließlich das Happy-End durch das 2:1 von Oliver Roth in der Nachspielzeit. Nach dem Schlußpfiff spielten sich unbeschreibliche Szenen ab. Die etwa 5000 mitgereisten Offenbacher Fans feierten ihre Helden überschwinglich. Das Feeling Bieberer Berg schwappte über an die Bremer Brücke. Ein Freudenfest in Rot Weiß, während ganz Osnabrück Trauer trug.

Tränen auf beiden Seiten. Beim VFL aus Enttäuschung, bei den Kickers  waren es süße Freudentränen. Spieler, Trainer, Verantwortliche und die Fans fielen sich in die Arme. "Ich kann es nicht fassen. Wir haben es geschafft", stammelte Libero Stefan Dolzer mit feuchten Augen. Es war ein Spiel das für fast alle Zuschauer die Grenze des Erträglichen überschritt. Dramatik pur. Ein Kampfspiel, das die Kickers verdient gewonnen haben. Sie hatten den entscheidenden Tick mehr Willenskraft. Und sie hatten das notwendige Quentchen Glück in Person von Rene Keffel, ihrem überragenden Torhüter.

Bis zur 20. Minute sind die Kickers in der 2. Bundesliga. Dann der Schock: Christian Claaßen läßt Michael Köpper stehen und wuchtet den Ball aus zwölf Metern genau in den Winkel: 1:0 - Osnabrück ist in der 2. Bundesliga. In der Halbzeit wechselt OFC-Trainer Hans Jürgen Boysen seinen Kapitän Oliver Roth ein. Die Zeichen stehen auf Sturm, denn die Kickers brauchen ein Tor. In der 51. Minute werden die Angriffsbemühungen belohnt. Tom Stohn flankt, Dirk Vollmar kommt angeflogen und köpft den Ball vor dem Kickers Fanblock in die Maschen: 1:1 - Osnabrück ist draußen, die Kickers sind in der 2. Bundesliga. Aber wie lange? Dreimal sind es nur Zentimeter, die den OFC vor einer weiteren Saison in der Regionalliga bewahren.

71. Minute: Thioune köpft, der Ball muß eigentlich ins Tor, doch da kommt Dietmar Roth angeflogen und grätscht den Ball Zentimeter vor der Linie zur Ecke. 82. Minute: Kopfball von Claaßen aus acht Metern, Keffel rettet mit der Faust. Wahnsinn ! 85. Minute: Rene Keffel wird für die OFC Fans endgültig zum Fussball Gott. Wiederum Christian Claaßen steht fünf Meter vor dem Tor, sein Kopfball ist wuchtig wie ein Schuß. Das muß das 2:1 sein, Claaßen reißt schon jubelnd die Arme hoch, da zuckt die Faust von Keffel dazwischen. Mit Kopf, Hand und Schulter lenkt der 31. jährige Kickers Schlußmann den Ball über die Latte. "Ich werde nie begreifen, wie der den gehalten hat. Das war genial von dem Torwart", stöhnte der Osnabrücker Stürmer nach dem Schlußpfiff.

Das Spiel ist noch immer nicht zu Ende. Drei Minuten Nachspielzeit. Im Offenbacher Fanblock stehen die ersten Herzinfarkte kurz bevor. Der letzte Konter: Oliver Speth paßt zu Oliver Roth, und der Offenbacher Kapitän setzt mit dem Tor zum 2:1 den Schlußpunkt unter ein wahnsinniges Spiel und eine irre Saison. Und er gibt den Startschuß für eine zweitägige Aufstiegsfeier.in Offenbach. "Jetzt" kündigte Olli Speth noch auf dem Rasen an, "jetzt wird es in Offenbach eine gigantische Nacht geben.."

Mit dem Schlußpfiff im Stadion an der Bremer Brücke in Osnabrück war auch am Bieberer Berg in Offenbach grenzenloser Jubel ausgebrochen. Etwa 4000 Kickers-Fans hatten dort das Drama auf einer Großbildleinwand verfolgt. Im Laufe des Abends füllte sich das Stadion immer mehr. Alle warteten auf die Rückkehr der OFC Helden. In den Straßen von Offenbach fanden Hupkonzerte statt, viele Autos waren mit rot weißen Schals und Fahnen geschmückt.