Bericht vom Spiel
Kickers Offenbach
- Karlsruher SC 3:1

Fußball kann schön sein
(Dieser Spielbericht ist Erik gewidmet)

Es war das bisher schönste Spiel der neuen Saison. Ramon Berndroth hatte nach den heftigen Kritiken zur Nullnummer gegen Elversberg und nach der Pleite in Stuttgart seine Mannschaft mutig umgestellt: aus einem 3-5-2 wurde ein 5-3-2, rein theoretisch zum Haare raufen. Aber es ist ein 5-3-2, das die Kickers ziemlich offensiv agieren lässt, weil es direkt hinter den Stürmerpärchen zwei offensive Mittelfeldspieler vorsieht. Das Schema, das Berndroth bei den vielleicht erfolgreichsten Spielen der letzten Saison angewandt hatte: 4-1 gegen Ansbach, und 5-2 gegen Aalen. Mutig war es auch, weil es für Torte Becht und Dario Fossi, zwei absolute Stammspieler der neuen und alten Saison, den Platz auf der Bank bedeutete und somit Dexter Langen und Fouad Brighache zu ihrem ersten Einsatz in der neuen Spielzeit kamen.

Ausgerechnet gegen einen Zweitligisten wurde also munter umgestellt und lässig mal eben schnell der Libero ausgewechselt: hoch oben auf der Orion reibte man sich beim Anpfiff verwundert die Augen: „Wann hat man das letzte mal genau hinschauen müssen um zu sehen was und wie der Trainer aufgestellt hat???... sonst hast du einfach blind das runtergebetet was du letzte Woche gesehen hast und lagst richtig“... jetzt musste man sogar mit seinem Nachbarn Kontakt aufnehmen und Kompetenzen austauschen um da durchzublicken.... also: im Tor wie immer Thier, alles klar.... vorne Petry und Saridogan, geht auch noch.... dann... defensives Mittelfeld zentral Glatze Dworschak, und tatsächlich, davor zwei offensive Mittelfeldspieler, Samir Naciri eher links und Patrik Falk eher rechts... zum erstenmal in dieser Saison also mit vier offensive, hinten stehen als Außenverteidiger links Dexter Langen, Rechts Fouad Brighache, Zitouni der Mounir als Libero und als Innenverteidiger tatsächlich Angelo Barletta und Bachir Kaba..... eigentlich eine geile Aufstellung, während man noch fachsimpelt, sich das ganze Bewusst macht, wir spielen ja erst seit 1’30, kommt der Ball auf die Linke Abwehrseite der Kickers zu, Kaba verstolpert, eine KSC´ler zieht durch, schöne Flanke, Kopfball Labbadia, sauber ins lange Eck getroffen, Thier Machtlos, 0-1 und ca. 500 KSC-Fans pogen vor Freude durch den Gästekäfig: immerhin der erste Treffer für die Badener in der neuen Saison (0-1 gegen Kölle, 0-0 in Burghausen, 0-3 in Trier)...

Der Bieberer Berg und ca. 7.000 Zuschauer wollte sich aber irgendwie die Laune nicht verderben lassen, klar es ist Samstag, der Tag an dem man mit der Familie zum Spiel geht und sich nicht gleich die Ampel aushaut, weil es ja noch Mittag ist... aber verdammt noch mal, heute ist Pokal und wir sind Kickers, und auf einmal wurde es laut: der Block reagiert, bläst seine Lunge auf und legt los, die Gäste machen mit, die Orion will sich auch nicht lumpen lassen, und bis zur 15. Minute geht’s rund. Auch auf dem Platz, die KSC´ler wollen das Spiel gleich töten und die Offenbacher wissen genau was ihnen beim Abpfiff blüht wenn sie nicht sofort wenigstens rennen, kratzen, beißen und den Heldentod sterben. Pokalrunde kann einfach klasse sein. Karlsruhe steht kompakt, das Zusammenspiel wirkt selbstverständlich, geübt, gekonnt und geölt, die Badener betreiben den halben Aufwand der Kickers für das gleiche Ergebnis. Bei den Kickers, fallen zwei Akteure sofort auf: Dworschak und Falk, sie spucken schon nach 5 Minuten Gift und Galle, nicht als Showstar wie manche „Ich wär gerne Volxheld-Idol-Erscheinung mit Geschichtsbucheintrag“ aus vergangenen Tagen, nein sondern als Fußballer die rennen, die grätschen, den Ball erobern, sich sofort wieder frei laufen, sich anbieten, für den Kollegen in die Breche springen usw.... Wenn sie gefoult werden stehen sie wieder auf, schauen dem Übeltäter sofort auf gleicher Augenhöhe in die Höhle und versprühen Funken und Blitze, sogar der Schiri muss sich ducken.... wir spielen seit 10 Minuten und Falk und Dworschak haben ihren Junx, dem Stadion, dem Schiri und dem Gegner klargemacht: „Buben passt fein auf, heute geht’s ab“...

Die Signale übertragen sich. Kaba (extrem verunsichert nach seinem Fehler) und Langen finden links immer besser zueinander. Beim ersten Ballkontakt spielt Langen sofort einen Sicherheitspass..... den Zweiten verdient er sich indem er einem KSC´ler einfach die Hula abnimmt.... das macht Mut: beim dritten Ballkontakt hebt er den Kopf, setzt zum ersten Sprint an, stockt bleibt stehen, überlegt.... spielt einen Pass mit etwas mehr Risiko.... hat geklappt..... und beim vierten Kontakt ist es endlich soweit: Dexter beginnt damit die Linke Abwehrseite der Badener zu beackern und umzugraben, bald bindet er bei jedem seiner Vorstöße zwei bis drei Gegenspieler, hält seine Defensive sauber, wird dabei von Kaba glänzend unterstützt und in Szene gesetzt: nach ca. 20 bzw. 25 Minuten wird klar, das ist die Schokoladenseite der Kickers heute.

Auffallen tut auch Petry: der rennt und flitzt und spielt, vorne, Mitte, Hinten, holt die Bälle, erkämpft sie, sprintet nach vorne, Sucht Sari und setzt Akzente.... hola der Mann will heute was reißen... und auf diese Art könnten jetzt alle elf beschrieben werden. Saridogan brummt mal wieder nach einem Angriff über links in den Strafraum rein, man sieht wie er förmlich inne hält „zwei Mann vor mir.... Scheiße da komm ich nicht durch..... Scheiße keiner da zum abspielen.... Scheiße was mach‘ ich jetzt bloß???“ SARI MACH SIE NASS; LASS SIE STEHEN.... die halbe Orion kann sich nicht mehr halten, jeder weiß das er‘s kann und tatsächlich.... er macht's.... er zieht rein und vorbei, kommt am Fünfmeter Raum, legt zurück Richtung Strafraummitte, Dworschak könnte abnehmen wird aber umgerannt, der Blick zum Schiri, ein Pfiff, ein Punkt, ein Ball, ein Falk 1-1 35. Jawohl jetzt geht‘s tatsächlich ab.

Beide Mannschaften und beide Fanblöcke gehen jetzt richtig rein in den Pokalfight. Die meisten Anfeuerungen der KSC-Ultras stammen aus dem Liedgut der französischen Ultra-Szene „Allez Karlsruhe allez“ usw.... ich fühle mich fast wie im Languedoc Toulouse gegen Montpellier oder so was... na ja ist auch egal... wie auch immer.... klatsch das war der Pfosten, da hat der Thier aber Glück gehabt, und noch ein Wahnsinnsantritt über links von Dexter den Langen, zwei, drei, vier Gegenspieler ausgetanzt, mit zwei drei weiteren kräftigen, raumgreifenden schritten stampft er zur Strafraumgrenze, haut ein Pfund aus seinen Tretern und scheitert nur knapp am Baden-Keeper Walter...

Nachdem die Verunsicherung durch das frühe 0-1 gewichen ist, zeigen die Kickers ein wirklich ansprechendes Spiel. Der Pfostentreffer der Badener (so gegen der 35. Minute kurz nach dem Ausgleich) bleibt die letzte Chance der KSC´ler in diesem Spiel. Offenbach will spielen und schafft es auch: Naciri und Falk ziehen immer wieder neue Aktionen auf, Dworschak holt einen Ball nach den anderen ab, Labbadia legt sich mit Barletta an.... versucht seine Mannschaft aufzuwecken, rums da wird er von Dworschak abgewatscht... Berndroth hatte es angekündigt: „Wir suchen elf unerschrockene. Wir werden sie finden und auf dem Platz schicken!“.... tatsächlich, sie sind da J

Es bleibt noch eine knappe halbe Stunde und die Zeit der Auswechslungen beginnt: Ramon Berndroth wirft nacheinander Müller, Knappmann, und Kagiouzis ins Gefecht, dafür holt er Saridogan, Falk und Petry runter (zwischen der 63. und 77.)... die taktische Grundeinstellung der Mannschaft ist noch zu erkennen, aber sie weicht auch immer mehr der Grundhaltung „jetzt noch mal alles geben, Löcher stopfen, rotieren, Druck ausüben, noch einmal eine Chance erkämpfen“.... Stefan Kuntz zieht seinen letzten Trumpf, Daniel Graf wird in die Schlacht geworfen (84.). Kurz vor seiner Einwechslung wird es auf der Haupttribüne laut, sie schimpfen, pfeifen und röhren wie die jungen Wilden die sie mal waren... keiner hat dich vergessen Daniel Graf... und das ganze Stadion stimmt im Pfeifkonzert mit ein.

Der Abpfiff kommt und alle bleiben da.... Verlängerung auf dem Bieberer Berg.... vielleicht sogar Elfmeterschiessen??? (wenn man die Hessenpokalstatistik links liegen lässt und sich nur um den DFB-Pokal kümmert erfährt man folgendes: letzte Verlängerung war 93/94 gegen SV Meppen - 4-2 mit Arschtor von Günter Albert - und letztes Elferschiessen im DFB-Pokal war auch in der Saison in der Anschließenden Pokalrunde gegen Werder).

Karlsruhe mobilisiert noch mal alle Kräfte, Labbadia schwört seine Mitspieler ein, der Gästeblock ist seltsam ruhig geworden... Die Angst geht um: sie Kämpfen aber sie sind verunsichert, unsere junge Kickers-Buben schaffen es tatsächlich die KSC´ler aus der Ruhe zu bringen.... und dann kommt er, der schönste Angriff des ganzen Spiels.... Die Rotweißen haben ihre Verteidigungslinie an der Mittelfeldzone aufgebaut.... jedes Mal wenn hier ein Ball erobert wird, krachen Kagiouzis, Knappmann und Müller los.... hinter ihnen macht Dworschak Dampf.... Kojak dirigiert engagiert, opfert sich, spielt, kämpft und treibt seine Leute nach vorne immer und immer wieder und noch mal.... und dann ist es endlich soweit, Knappmann spurtet auf der rechten Seite los, er ist durch und schnell genug, kommt im Strafraum rein, der Keeper kommt raus und verkürzt den Winkel, geschickt und zugenäht, der Pass nach Innen muss jetzt kommen, ja da ist der Kristos mitgelaufen, der Ball kommt, er Hat ihn, der Keeper liegt im Grünen,  Kagiouzis braucht ihn nur noch reinzuschießen JAAAAAAAAAAAA DAS LEBEN IST SCHÖÖÖÖÖÖN 2-1 und noch knapp 20 Minuten.

Der Käfig tobt jetzt, vom Block gehen die Gesänge rüber zur Orion..... und entfacht der Block nicht schnell genug den nächsten Sturm bläst die Orion selber los, die Gästen sind durch auf der Stahlrohr, und ihre Mannschaft ist platt... es kommt keine richtig gefährliche Situation mehr vor dem Tor der Kickers zu Stande. Naciri kann auf einmal links nicht mehr laufen, immer wieder probieren die Badener über seine Seite die Abwehr der Offenbacher aufzureißen.... aber es gelingt nicht, im Gegenteil, giftige Konter der Offenbacher suchen die Entscheidung, und in der 120. führt ein solcher zum 3-1 Endstand (Elfer Kagiouzis).

Nach dem Spiel wurden die Tore vom Block geöffnet das Spielfeld den Fans überlassen. Dabei mischten sich auch die KSC´ler unters Volk, beide Fanlager können miteinander. Auf dem Rasen kommen alle zusammen, die auf der Orion, im Block, auf der Haupttribüne oder sonst wo gezittert und gefiebert haben, die Augen sind glücklich, die Umarmungen innig, heute ist das Leben wirklich schön... Das Gefühl zuhause zu sein, im Kreis seiner lieben Familie, mit Menschen die man wirklich mag, hier unten auf dem Rasen unseres Stadions, das wir mit unseren Gesängen und Hoffnungen immer wieder füllen.... mittendrin Spieler, Ersatzspieler, Vereinsfunktionäre, alles ganz normal, Familie im besten Sinne des Wortes, so schön ist es nur bei uns hier zuhause... Und wer jetzt meint ich würde übertreiben oder wie auch immer, dem möchte ich noch schnell ein paar Zeilen widmen mit einer kleinen Geschichte, die ich am Rande beobachten durfte: der junge heißt Eric und ist ungefähr 10 bis 11 Jahre alt, er verlor in diesem Jahr seinen Vater, der an einem Gehirntumor erkrankte und verstarb. Dieser Vater war früher immer mit ihm zum Bieberer Berg, zu den Kickers gegangen. Heute war er mit Mutter da, zum erstenmal wieder seit Papa gestorben ist, und es war schön.... und dann kam Lord und sagte: „Junge ich habe deine Geschichte gehört, du kommst jetzt mal mit, und dann lernst du mal die Spieler kennen und darfst in die Kabine“.... Lord humpelte mit seinem kaputten schmerzhaften Knie mit dem kleinen Mann und seiner Mutter über den Platz Richtung Kickerskabine. Zwei Sätze Richtung René Keffel und der holt den Kleinen rein.... weit und breit keine Presse, keine Fotos, keine Show.... es ist keine Marketingaktion es ist einfach nur Kickers und das was wir füreinander bedeuten... Papa ist immer dabei Erik... er geht nie und wird dich immer begleiten.... und Kickers ist auch für‘s Leben.

 

Alles liebe euch allen, es war schön euch mal wiederzusehen und das alles miterleben zu dürfen

TRO.

(Bilder von Ozzy, Tara und dem Engel)